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Position: Bitcoin – jährlicher Stromverbrauch 65,8 Mrd. kWh?

Dr. Ralph Hintemann
Gesellschafter und Senior Researcher bei Borderstep

Der Bitcoin führt nicht nur zu Turbulenzen an den Finanzbörsen. Auch in Hinsicht des von ihm verursachten Stromverbrauchs gibt es sich immer wieder überschlagene Meldungen.

Die Plattform Digiconomist errechnet den Stromverbrauch durch das sogenannte Bitcoin-Mining. Am 10.5.2018 nennt die Plattform einen Jahresstromverbrauch von 65,8 Mrd. kWh. Das ist enorm und mehr als die Schweiz im Jahr an Strom benötigt. Im Dezember 2017 wurde die Fachöffentlichkeit in Deutschland durch einen Spiegel-Artikel darauf aufmerksam. Die Berechnungen des Digiconomist gaben zu dieser Zeit einen Jahresstromverbrauch für den Bitcoin von 32,4 TWh an – das entsprach ungefähr dem Jahresstromverbrach von Dänemark. Ich selbst wurde etwa zwei Wochen vor dem Spiegel-Beitrag durch einen anderen Artikel auf die Berechnungen des Digiconomist aufmerksam – da lag der Stromverbrauch des Bitcoins noch bei 29 TWh.

Die enormen Steigerungen dieses Stromverbrauchs lassen einen erschaudern, wecken aber zugleich auch etwas Zweifel an der Genauigkeit der Berechnungen. Innerhalb der letzten sechs Monate hat sich der vom Digiconomist errechnete Stromverbrauch des Bitcoins mehr als verdoppelt und um mehr 35 TWh erhöht. Allein dieser Anstieg ist dreimal so viel wie alle Rechenzentren in Deutschland im Jahr an Strom verbrauchen. Insgesamt soll der Stromverbrauch für Bitcoin-Mining auf dem Niveau des Stromverbrauchs aller Rechenzentren in Europa liegen? Ist das überhaupt denkbar? Sind in so kurzer Zeit so große zusätzliche Rechenkapazitäten für das Bitcoin-Mining erschlossen worden? Das erscheint eher unwahrscheinlich.

Schaut man sich die Art und Weise, wie der Digiconomist den Stromverbrauch des Bitcoins berechnet, genauer an, so wird klar, wie es zu den deutlichen Steigerungen in den Berechnungen kommt. Der Digiconomist geht davon aus, dass für Bitcoin-Mining solche Hardware eingesetzt wird, die einen profitablen Betrieb des Minings ermöglicht. Dafür wird geschätzt, dass ein durchschnittlicher Bitcoin-Miner 60 % seines Umsatzes für Energie aufwendet. Damit wird unterstellt, dass bei steigendem Berechnungsaufwand für den Bitcoin immer noch die Hardware eingesetzt wird, mit der sich noch Gewinne erzielen lassen. Alte ineffiziente Hardware wird außer Betrieb genommen und durch neue effizientere Technik ersetzt. Dieser Ansatz ist sich immer weiter erhöhenden Komplexität der Berechnungen für den Bitcoin sicher vertretbar, um die Größenordnung des Stromverbrauchs zu ermitteln. Er kommt jedoch bei spekulationsgetriebenen Kursturbulenzen an den Börsen an seine Grenzen. Der Umsatz eines Miners ist nämlich direkt vom Kurs des Bitcoins abhängig. Je höher der Kurs, desto höher der Umsatz. Dass der Stromverbrauch die Kursschwankungen genau abbildet, ist mehr als unwahrscheinlich. Der Kurs hatte sich innerhalb der zweiten Jahreshälfte 2017 ungefähr um den Faktor 20 erhöht. So schnell hätte neue Hardware gar nicht beschafft und in Betrieb genommen werden können.

Sind die Zahlen des Digiconomist also falsch und das Problem des hohen Stromverbrauchs des Bitcoin-Minings gar nicht vorhanden? Dies wäre der falsche Schluss. Es ist zwar davon auszugehen, dass die aktuell berechneten enormen Steigerungen des Stromverbrauchs des Bitcoins nicht  der Realität entsprechen, die Größenordnung eines Stromverbrauchs im zweistelligen TWh-Bereich ist aber durchaus plausibel, wenn man die eingesetzte Hardware für Bitcoin-Mining betrachtet. Nimmt man an, dass im vergangenen Jahr weltweit nur hocheffiziente aktuellste Hardware für das Bitcoin-Mining eingesetzt worden wäre, hätte diese im Jahr 2017 etwa 5 TWh Strom benötigt. In der Realität wird die eingesetzte Hardware sicher nicht nur hocheffizient sein und das Bitcoin-Mining deutlich mehr Strom verbrauchen.

 

Fazit

Bitcoin-Mining benötigt enorm viel Strom – wie viel genau, kann aber aktuell keiner sagen. Ein weiterer Siegeszug beim Einsatz der Kryptowährung wird den Stromverbrauch voraussichtlich noch deutlich erhöhen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Effizienz der eingesetzten Hardware schneller steigt als der Berechnungsaufwand.